„Ich bin hin und her gerissen…“

In meinem Führungskräfte-Coaching berichtete mir mein Coachee von der Möglichkeit den Job zu wechseln. Er erzählte mir, dass er hin und hergerissen sei und einfach keine Entscheidung treffen konnte. Er ratterte direkt seine Pro-und Contra-Liste herunter. Spannend war auch, wie er einzelne Argumente nicht ganz zu Ende formulierte und sich quasi selbst mit Gegenargumenten unterbrach. Ich kenne das von mir selbst. Das ist immer ein Zeichen dafür, dass man einzelnen Wünschen oder Aspekten nicht genug Raum geben will, weil man sie als „unrealistisch“, „unvernünftig“ oder einfach unvorstellbar betrachtet.

Entscheidungen mit dem „Inneren Team“ treffen

Ein schönes Tool um Entscheidungen zu strukturieren und bewusst zu treffen ist das innere Team von Friedman Schulz von Thun. Gerade wenn es um wichtige Entscheidungen geht, haben wir ja alle den Wunsch die „richtige“ Entscheidung zu treffen. Ich will hier gar nicht der Frage nachgehen, ob es richtige Entscheidungen gibt. Wichtig in dem Zusammenhang ist allerdings Entscheidungen bewusst zu treffen und sich klarzumachen, welchen Prioritäten man zum Zeitpunkt der Entscheidung Vorrang geben möchte.

Der Methode des „Inneren Team“ liegt die Idee des inneren Pluralismus zugrunde. Innerer Pluralismus bedeutet, dass jeder Mensch verschiedene innere Persönlichkeitsanteile hat, die unterschiedliche Motive und Wünsche verkörpern. Die Methode geht davon aus, dass diese Anteile zusammen als Team fungieren. In diesem Team gibt es stärkere und schwächere und beliebte und unbeliebte Anteile. Spannend sind vor allem unbewusste Anteile, die das Handeln und Verhalten unbewusst beeinflussen.

Gerade wenn man sich hin und hergerissen fühlt, hilft das Innere Team unterschiedliche, ggf. widersprüchliche Motive oder Gefühle zu identifizieren und durch die Benennung greifbar zu machen. In diesem Rahmen erhalten jedes Gefühl und Motiv seinen Platz und seine Berechtigung, was häufig zu einer Entlastung führt. Durch die sequenzielle Identifikation mit den Anteilen wird die Distanzierung von einzelnen Gefühlen oder Überzeugungen ermöglicht. Somit wird es überhaupt erst möglich, sich bewusst gegen diese Überzeugungen zu entscheiden. Entscheidend ist es, dass jedes innere Team einen „Moderator“ hat, der das Erwachsenen-Ich repräsentiert und ein guter Kompromiss getroffen werden kann.

Der Vernünftige in mir sagt: „Ruhe jetzt“

In der oben geschilderten Session habe ich mit meinem Coachee seine verschiedenen Anteile nacheinander identifiziert, Namen gegeben und jedem Anteil den Raum gegeben, seine Wünsche und Bedürfnisse zu erläutern. Da gab es einen „Vernünftigen“, der die Chancen und Risiken der Entscheidung sachlich betrachtete, die Angst, die sich vor Veränderungen scheute, den Träumer, der sich schon den schicken Sportwagen ausmalte, dessen Investition durch den Jobwechsel möglich erschien.

Nach einer Weile verfiel mein Coachee wieder in die Auflistung seiner Pro-und Kontra Liste. Daraufhin bat ihn aus der Rolle seines „Vernünftigen“ zu seinem inneren Team zu sprechen. Plötzlich war die Haltung meines Cooachees vollkommen verändert. Seine Stimme war klar und der Zweifel und die Unruhe waren verschwunden. Er sagte: Ruhe jetzt! Im Moment ist nicht die Zeit für eine so große Veränderung. Meine „Neugier“ wird mich regelmäßig erinnern und dann werde ich zur richtigen Zeit den Schritt auch machen. Davon bin ich überzeugt.“ Für den Moment war die Entscheidung getroffen und der drängende anteil, die Neugier/ Ungeduld“ wurde mit Wertschätzung beruhigt.

Hast du eine wichtige Entscheidung zu treffen und fühlst dich hin- und hergerissen? Wer gehört zu deinem inneren Team? Höre mal genau hin und gib den verschiedenen Stimmen in deinem Kopf Raum. Was ist deinen Teammitgliedern wichtig und wozu raten sie dir bei deiner Entscheidung? Und auf welchen Rat möchtest du hören?