Was sind Glaubenssätze und was haben sie mit Elefanten zu tun? Das verdeutlicht die folgende Geschichte sehr schön: Eines Tages sah ein Mann einen großen Elefanten, der an einen kleinen Holzpflock angebunden stand und sich nicht von der Stelle rührte. Der Mann fragte den Führer des Elefanten „Warum läuft der Elefant denn nicht weg? Er könnte den Pflock doch spielend leicht herausziehen!“. Darauf antwortete der Elefanten-Führer „Er wurde als kleiner Elefant angebunden und hat nicht gemerkt, dass er inzwischen groß geworden ist.“

Die „Geschichte vom kleinen Elefanten“ verdeutlicht sehr schön, dass Verhaltensweisen, die in einer bestimmten Situation oder zu einem bestimmten Zeitpunkt richtig und angemessen waren, nicht für immer gelten müssen. Denn über die Zeit entstehen neue Möglichkeiten.

Glaubenssätze sind innere Überzeugungen

Die Geschichte passt daher sehr gut zum Thema „Glaubenssätze“. Glaubenssätze sind innere Überzeugungen, die in der Kindheit entwickelt werden und auf die mit bestimmten Verhaltensweisen reagiert wird. Ähnlich wie der Elefant bleiben viele Menschen in den Verhaltensweisen ihrer Kindheit verhaftet und überprüfen nicht, ob diese noch immer Gültigkeit besitzen und auch im Erwachsenenleben eine angemessene Lösung darstellen. Viele der erworbenen Verhaltensweisen sind gute Automatismen, die uns helfen, unseren Alltag effizient zu bewältigen. Es gibt aber auch Verhaltensweisen, die uns nicht gut tun und uns von der Erfüllung unserer Bedürfnisse abhalten.

Glaubenssätze sind interessant, weil sie eine große Rolle im Alltag und in Beziehungen spielen können ohne dass den Betroffenen ihre Existenz und Bedeutung bewusst ist. Jeder kennt z.B. festgefahrene, wiederkehrende Beziehungskonflikte, bei denen ein Wort zum anderen führt. Oder Situationen, in denen man vollkommen überreagiert und sogar ausflippt. Solche unangemessenen Reaktionen sind meistens keine Folge auf einen Außenreiz, sondern auf das innere Erleben. Da kann es Sinn machen, tiefer zu gehen und die in der Kindheit erworbenen Überzeugungen zu betrachten.

1. Was sind Glaubenssätze?

Für das Konzept der Glaubensätze finden sich verschiedene Bezeichnungen in den unterschiedlichen Theorien und Schulen. Wie bereits oben erwähnt, handelt es sich es sich hierbei um innere, meist unbewusste, Überzeugungen. In der Transaktionsanalyse nach Berne werden diese Überzeugungen Skriptüberzeugungen genannt. In der Schematherapie, die ich in der folgenden Arbeit regelmäßig zitiere, werden die inneren Überzeugungen als Schemata bezeichnet.

Unter Glaubenssätzen verstehen Psychologen tief verankerte, unbewusste Überzeugungen bzw. innere Prägungen, die im Kindesalter bzw. in der frühen Jugend erworben wurden. Die Entstehung dieser inneren Überzeugungen erfolgt im Zusammenspiel zwischen einer oder mehreren engen Bezugspersonen, meist der Eltern und dem Kind.

Positive und negative Glaubenssätze

Glaubenssätze können konstruktiv oder destruktiv, also förderlich oder nicht förderlich sein. Ich konzentriere mich hier auf negative, also destruktive Glaubenssätze, weil sie uns das Leben manchmal unnötig schwer machen.

In der Psychologie geht man davon aus, dass die nachhaltige Nicht-Erfüllung der psychischen Grundbedürfnisse zur Entstehung von negativen Glaubenssätzen führt. Es können die folgenden 4 Grundbedürfnisse aus der Perspektive eines Erwachsenen unterschieden werden:

  1. Das Bedürfnis nach Bindung, also emotionaler Nähe
  2. das Bedürfnis nach Kontrolle und Orientierung der Umgebung und der eigenen Person
  3. das Bedürfnis nach Anerkennung oder Selbstwerterhöhung
  4. das Bedürfnis Dinge zu tun, die einem Lust oder Freude bereiten

Wird eines dieser Bedürfnisse nachhaltig nicht erfüllt, versucht ein Kind aus der erlebten Situation einen Sinn herzustellen. Wird beispielsweise in regelmäßiger Häufigkeit das Bedürfnis eines Kindes nach Nähe frustriert, könnte ein Kind die innere Überzeugung „ich bin allein“ entwickeln. Erlebt ein Kind seine Umgebung als nicht einschätzbar und kalkulierbar, z.B. weil die Mutter aus Überforderung entweder sehr liebevoll oder mit absoluten Wutanfällen auf das Kind reagiert, könnte das Kind den Glaubenssatz „ich bin ausgeliefert“ entwickeln. Wächst ein Kind in einem Umfeld auf, in dem sehr hohe Ansprüche herrschen und bekommt nie vermittelt, dass es etwas richtig oder gut gemacht hat, könnte es zu der inneren Überzeugung gelangen „nicht zu genügen“. Und in einer Familie in der Disziplin und Pflichtbewusstsein sehr dominant sind, könnte ein Kind die Überzeugung „ich darf nicht genießen“ ausbilden.

Glaubenssätze entstehen durch die Schlussfolgerungen als Kind

Diese Überzeugungen können, wie in den oben aufgeführten Bespielen, durch Schlussfolgerungen aus realen Erfahrungen entstehen, z.B. ich bekomme wenig Aufmerksamkeit, also bin ich nicht wichtig. Oder ein Kind missinterpretiert das Verhalten der Eltern: das Kind erlebt wie stolz die Eltern bei guten Noten sind, strengt sich besonders an und erlebt aber nie, wie die Eltern bei schlechten Noten reagiert hätten. Am Ende glaubt es nur geliebt zu werden, wenn es sehr gute Leistungen bringt.

Aus diesen Erfahrungen und inneren Gewissheiten resultieren dann tiefe Gefühle wie Trauer, Wut oder auch Hilflosigkeit. Um einerseits mit diesen Gefühlen klar zu kommen, d.h. diese am besten gar nicht zu spüren, und andererseits der Erfüllung unserer psychologischen Grundbedürfnisse näher zu kommen, entwickeln wir sogenannte Schutzstrategien.

Durch häufiges Erleben entsteht ein Automatismus im Gehirn

Die Neurobiologie hat gezeigt, dass bei emotional intensiven, langanhaltenden oder wiederkehrenden Erlebnissen die beteiligten Neuronen im Gehirn besser miteinander verbunden werden, so dass diese zu einem späteren Zeitpunkt bei einem ähnlichen Reiz schnell und leicht aktiviert werden. Das bedeutet, dass die Erfahrungen, die ein Kind in seiner Kindheit macht, und die dann mit inneren Überzeugungen/ Schlussfolgerungen, verletzten Gefühlen und erlernten Schutzstrategien einhergehen, sich über die Zeit verfestigen und zu mehr oder weniger ausgeprägten Automatismen werden. Dadurch tritt das Erleben immer häufiger und automatisch auf.

Abgesehen von der neurobiologischen Verfestigung von Reaktionsmustern in unserem Körper sind wir auch immer Teil eines Systems. Das heißt, Menschen in unserer Umgebung gewöhnen sich an unser Verhalten, vor allem an die Verhaltensweisen, die ihre Bedürfnisse befriedigen. Der Chef gewöhnt sich z.B. an das Verhaltensmuster des Mitarbeiters, viel zu arbeiten und immer gefallen zu wollen. Ein Ausbrechen aus diesem Muster kann dann zu Konflikten, z.B. Enttäuschung von Erwartungen führen und macht es dadurch noch schwerer, das eigene Verhalten zu verändern. Die Bewusstheit der eigenen Glaubenssätze ist somit auch wichtig für das Thema „Erwartungsmanagement/ Grenzen setzen“.

2. Umgang mit negativen Glaubenssätzen

Glaubenssätzen sind mit einer starken Verletzlichkeit bzw. Labilität verbunden. Diese Verletzlichkeit kann sich in einem niedrigem Selbstwertgefühl äußern, oder aber es besteht z.B. eine große Angst vor Beschämung, das heißt, Angst davor, dass andere entdecken könnten, dass man „minderwertig“ ist.

Um die Gefühle wie Trauer, Ablehnung, Angst etc. möglichst wenig zu spüren und trotzdem der Erfüllung unserer psychologischen Grundbedürfnisse näher zu kommen, entwickeln wir sogenannte Schutzstrategien. Für die Experten unter euch: Diese sind vergleichbar mit den Antreibern in der Transaktionsanalyse und werden in der Schematherapie als Bewältigungsstrategien bezeichnet.

Um keine schlechten Gefühle zu spüren, entwickeln wir Schutzstrategien

Diese Bewältigungsstrategien können in drei Kategorien eingeteilt werden, die sich an den biologisch angelegten Reaktionen

1) Unterwerfungs-,

2) Flucht- bzw. Erstarrungs-

3) Kampfbereitschaftsreflexe orientieren.

Übersetzt bedeutet das, dass sich viele Menschen schema-konform verhalten und sich immer wieder in Schema-bestätigenden Situationen finden, andere vermeiden Situationen, die ihr Schema aktivieren könnten oder Menschen tun das Gegenteil ihres Schemas und kämpfen bzw. überkompensieren es.

Zur Verdeutlichung habe ich hier eine Zuordnung von Bedürfnissen zu Glaubenssätzen und Schutzstrategien aufgenommen. Diese ist stark vereinfacht sind. Die Entstehung von Glaubenssätzen und Schutzstrategien ist hoch komplex. Es gibt daher keine eindeutige Zuordnung von Schutzstrategien und Bedürfnissen, sondern es bestehen hohe Schnittmengen.

Wenn z.B. das Bedürfnis nach Bindung und Nähe in der Kindheit stark frustriert wurde, kann ein Kind-wie bereits oben aufgeführt- eine tiefe Überzeugung in Form von „ich bin allein“ entwickeln. Hinter dem Bedürfnis nach Bindung steht immer der Wunsch nach einer Beziehung und der Wunsch, angenommen und akzeptiert zu werden. Ein kleines Kind könnte sich also unbewusst möglichst gefällig verhalten, die Erwartungen seiner Eltern erspüren und versuchen diese zu erfüllen, um damit den Wunsch nach Nähe zu erfüllen. Das Kind kämpft so also gegen seine Überzeugung an und versucht alles zu tun, um nicht „allein“ zu enden. Daraus entwickelt sich eine starke Anpassungsfähigkeit und die betreffende Person orientiert sich auch im Erwachsenenalter noch sehr stark an anderen Menschen, um gemocht zu werden oder eine existierende Freundschaft oder Beziehung nicht zu gefährden (Anpassung/ Harmoniestreben).

Weitere einfache Verbindungen sind die folgenden (nur beispielhaft):

  • Frustration Kontrolle/ Orientierung -> „ich bin ausgeliefert“ -> Macht-/ Kontrollstreben
  • Frustration Anerkennung/ Selbstwert -> „ich genüge nicht“ -> Perfektionsstreben
  • Frustration Lust/ Freude -> „ich darf nicht genießen“ -> Workaholic; hohes Pflichtbewusstsein

Die Schutzstrategien werden zur Gewohnheit

An dem oben ausgeführten Beispiel wird deutlich, dass auch die Bewältigungsstrategien zur Gewohnheit werden, die dann häufig – lange über die Kindheit hinaus – auf aktuelle Probleme angewendet werden.

Wird das Schema „ich bin alleine“ aktiviert, wird mehr oder weniger automatisch mit der Bewältigungsstrategie, die man als Kind entwickelt hat, reagiert. Diese Reaktion erfolgt damit aus dem Kind-Ich und nicht aus dem Erwachsenen-Ich, dem ganz andere Lösungsmöglichkeiten zur Erfüllung der Bedürfnisse zur Verfügung stehen.

Wird durch eine Situation ein Glaubenssatz angesprochen, erfolgt die Reaktion häufig aus dem Kind-Ich heraus mit Gefühlen wie Trotz, beleidigt, traurig, wütend, ärgerlich sein. Der Betroffene erkennt in diesem Fall oft nicht, dass ein Gefühl aus der Kindheit angesprochen wurde und reagiert damit auf eine übertriebene, nicht angemessene Weise.

3. Die typischen Schutzstrategien

Die Wahrnehmung ist die Basis für Fühlen, Denken und Handeln. Eine Schutzstrategie führt in den meisten Fällen zu einer Veränderung der Wahrnehmung durch Verdrängung oder Projektion. Die Verdrängung ist ein Selbstschutz und beschreibt die Nicht-Wahrnehmung von negativen Gefühlen wie Angst, Hilfslosigkeit etc., die wir nicht spüren bzw. wahrhaben wollen. Bei der Projektion werden andere Menschen durch die Brille der eigenen Bedürfnisse und Gefühle wahrgenommen. Fühlt sich jemand beispielsweise klein und hilflos, nimmt er andere Personen als dominant und stark wahr. Durch die Projektion nehmen sich die Betroffenen häufig als Opfer wahr. Sie merken nicht, dass sie sich selbst durch eine Wahrnehmungsverzerrung in diese Situation bringen. Da Wahrnehmungs-verzerrungen für den Betroffenen die Realität darstellen, sind sie schwierig, am ehesten nachträglich durch Reflexion der Situation, zu erkennen.

3.1. Perfektionsstreben

Perfektionsstreben ist eine Form der Verdrängung, negative oder unerwünschte Gefühle nicht wahrzunehmen. Das zugrundeliegende Grundgefühl ist eine tiefe Verunsicherung des Selbstwerts. Dementsprechend versuchen die Betroffenen als Schutzstrategie keine Angriffsfläche zu bieten, d.h. sie wollen fehlerfrei sein, alles perfekt machen und dafür Anerkennung erhalten. Das Problem daran ist, dass der äußere Erfolg den verletzten Selbstwert nicht heilen kann, und damit immer nur kurzfristige Erleichterung verschafft. Die Betroffenen rennen ihren eigenen Ansprüchen hinterher, was zu einer enormen Erschöpfung bis hin zu Burnout führen kann.

Eine Variante des Perfektionsstrebes ist der Schönheitswahn, denn Gewicht, Nahrung, Figur etc. sind relativ leicht messbar und kontrollierbar.

3.2. Harmoniestreben

Auch hier ist das Grundgefühl/der Glaubenssatz eine Verunsicherung des Selbstwerts und die Angst vor Ablehnung. Die Schutzstrategie ist dem Perfektionismus ähnlich und beides tritt häufig zusammen auf. Die Betroffenen haben als Kind die Erfahrung gemacht, dass sie am leichtesten Zuneigung und Anerkennung gewinnen können, wenn sie die Erwartungen ihrer Mitmenschen erfüllen. Das Problem daran ist, dass diese Menschen dadurch schon früh gelernt haben, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu unterdrücken und dann häufig Schwierigkeiten haben, Entscheidungen zu treffen und zu wissen, was sie eigentlich selbst wollen. Auch für andere sind diese Menschen teilweise schwer zu greifen. Man weiß nie so genau, woran man bei ihnen ist.

Betroffene sind häufig agressionsgehemmt, d.h. sie unterdrücken ihre Gefühle wie Aggressionen und ihre Wut und leben diese dann aber in passivem Widerstand aus indem sie z.B. beleidigt sind.

Exkurs: Wut und Aggression sind typische Gefühle für Grenzverletzung. Menschen mit Harmoniestreben reagieren eher mit Trauer auf Grenzverletzung. Dadurch sind sie mehr für Depressionen anfällig als Menschen, die guten Zugang zu Wutgefühlen haben.

Häufig findet hier auch eine Projektion statt: da die Betroffenen ihre Gefühle und Bedürfnisse oft hintenanstellen und Konflikten aus dem Weg gehen, fühlen sie sich häufig unterlegen und projizieren in ihr Gegenüber Überlegenheit und Dominanz.

3.3. Helfersyndrom

Das Grundgefühl ist eine Verunsicherung des Selbstwerts bzw. ein Gefühl von Wertlosigkeit. Die Betroffenen versuchen, sich durch gute Taten selbst aufzuwerten und andere durch Hilfe an sich zu binden. Das kann problematisch sein, da häufig Menschen mit offensichtlichen Defiziten wie z.B. Suchtkranke ausgesucht werden und die Bedürfnisse des Helfenden chronisch zu kurz kommen. Dadurch bestätigt sich der Glaubenssatz „ich bin wertlos“. Menschen, die keine Hilfe brauchen, lösen eher Unsicherheitsgefühle aus, weil die gelernten Schutzstrategien erfolglos sind. .

3.4. Machtstreben

Das Grundgefühl/ Glaubenssatz ist eine übermäßige Angst in eine unterlegen oder schwache Position zu gelangen. Tritt typischerweise auf, wenn man sich als Kind eher ausgeliefert gefühlt hat. Auch hier findet, wie beim Harmoniestreben eine Projektion von Überlegenheit und Dominanz auf das Gegenüber statt, nur wird nicht mit Anpassung, sondern mit Auflehnung reagiert. Man kann zwischen dem aktiven (streitet, wird wütend, beharrt auf das eigene Recht) und dem passivem Widerstand (unterschwellige Manipulation durch verweigern, vergessen oder mauern) unterscheiden. Von außen werden die Betroffenen als sehr fordernd, geizig und beharrend aufs eigene recht wahrgenommen.

Das Kontrollstreben ist eine Variante des Machtstrebens. Die betroffenen Menschen haben ein überdurchschnittlich hohes Bedürfnis nach Sicherheit und eine enorme Angst angreifbar und verletzlich zu sein. Durch Regeln, Perfektionismus und Ordnung soll die Angst bewältigt werden, hohe Selbstdisziplin bezogen auf Gesundheit/ Figur (Körper bietet Projektionsfläche, die konkret ist)

4. Die Rolle von Glaubenssätzen im Alltag

Nicht die Glaubenssätze, sondern die Bewältigungsstrategien machen im Alltag Probleme und verhindern die nachhaltige Erfüllung der Grundbedürfnisse. Auch wenn die entwickelten Schutzstrategien in der Kindheit ein erfolgreiches Mittel waren, reagieren die Menschen im Erwachsenenalter mit den gleichen eingeschränkten Möglichkeiten wie als Kind und nutzen ihre gewachsenen Möglichkeiten als Erwachsene nicht. Sich z.B. sehr stark an den Erwartungen anderer zu orientieren führt nur auf den ersten Blick zu funktionierenden Beziehungen und Bestätigung. Langfristig führt das Verhalten dazu, dass die eigenen Bedürfnisse nicht erfüllt werden und es kommt zu einer Unzufriedenheit und einer Bestätigung des verletzten Grundgefühls nicht wichtig, geliebt, etc. zu sein.

Es ist daher wichtig, die Bewältigungsreaktionen vom Glaubenssatz zu trennen. Dazu muss der Glaubenssatz erlebt und zugelassen werden. Ziel ist es nicht, die Gefühle zu verhindern, sondern zu erkennen, dass die Gefühle „alt“ und viel zu stark sind, und dass die Gefühle vom Erwachsenen ausgehalten werden können.

5. Glaubenssätze im Coaching identifizieren und auflösen

In der Psychotherapie spielen Glaubenssätze bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen eine große Rolle. Werden die Schutzstrategien immer stärker und zwanghafter und werden diese als Teil einer Persönlichkeit extrem deutlich, spricht man von einer Persönlichkeitsstörung. In der Therapie ist die Arbeit zwischen Therapeut und Patient ein Prozess über einen längeren Zeitraum. Hier kommen verschiedene Methoden wie beispielsweise Fragebögen, Erzählungen von Träumen oder Kindheitserlebnissen, zum Einsatz, um Glaubenssätze und Schutzstrategien zu identifizieren und zu bearbeiten.

Die Schematherapie ist eine relativ neue Psychotherapie-Form, die verstehensorientierte Klärungsarbeit (=Psychoanalyse) mit einer handlungs-/ lösungsorientierten Veränderungsarbeit (=Verhaltenstherapie) verbindet. Sie setzt also an den Erfolgen der Psychoanalyse und der Verhaltenstherapie an, verbindet die beiden Ansätze und entwickelt sie zu einer neuen Therapieform weiter. Die Idee dahinter ist, dass es für einen Behandlungserfolg nicht ausreicht, wenn der Verstand das unlogische Verhalten erkennt, oder man vom Verstand her weiß, dass man stolz sein könnte etc. Wichtig ist, dass das Grundgefühl/ die Verletzlichkeit gesehen wird und dass die Veränderung dann auch trainiert wird. Hier hat die Neurobiologie mit bildgebenden Verfahren gezeigt, dass Emotionen stärker als Kognitionen für das Verhalten verantwortlich sind. Daher ist die Integration von emotionsaktivierenden Techniken so wichtig: durch erlebnisaktivierende Verfahren können die gleichen Nervenzellen aktiviert und „überschrieben“ werden, das nennt man dann eine „korrigierende emotionale Erfahrung“.

Im Coaching werden Glaubenssätze manchmal deutlich

Im Coaching arbeiten wir meist an konkreten Fragestellungen. Im Zuge dessen können Glaubenssätze mehr oder weniger deutlich werden. Für den Coach ist das Wissen um Glaubenssätze als Hintergrundwissen wichtig und hilft bei der Einordnung und Bearbeitung von Themen. Für den Coachee kann es hilfreich sein, Bewusstheit in Bezug auf seine Glaubenssätze sowie die automatisierten Schutzstrategien und Muster zu erlangen. Auch wenn nicht alle Bedürfnisse im Leben erfüllt werden können, vor allem auch nicht im Nachhinein, ist es heilsam, sie überhaupt zu kennen, sie sich einzugestehen und auszusprechen.

Auch wenn ein Coachee unbedingt sein Verhalten ändern will, es aber absolut nicht schafft, lohnt es sich die zugrundeliegenden Glaubenssätze zu untersuchen und zu verstehen, ob innere Überzeugungen ihn vielleicht von einer Verhaltensänderung abhalten. Will z.B. eine Führungskraft eigentlich weniger arbeiten und ihre Work-Life Balance verbessern, schafft es aber einfach nicht, könnte eine Untersuchung der zu Grunde liegenden Glaubenssätze spannend sein. Existiert z.B. die Überzeugung „wer erfolgreich sein will, muss viel bzw. mehr als die anderen arbeiten“, wirkt das dem Ziel „weniger zu arbeiten“ entgegen.

Die Verbindung aus Verstehen und Fühlen im Coaching

Die Verbindung aus Verstehen und Fühlen ist für den Coachingprozess ein sehr erfolgsversprechender Ansatz. Coachees sind typischerweise selbstreflektierte und intelligente Personen, die ein hohes Interesse an den eigenen Beweggründen mitbringen. Gleichzeitig sind es genau diese Personen, die häufig sehr starke Schutzmechanismen, entwickelt haben, um Gefühle von Minderwertigkeit, Angst, etc. nicht spüren zu müssen. Ein Veränderungsprozess kann aber nur angestoßen werden, wenn durch eine emotional bedeutsame Erfahrung die gleichen Nervenzellen aktiviert werden können.

 

Literatur:

Dehner, Renate und Dehner, Ulrich (2007), Schluss mit diesen Spielchen! Manipulationen im Alltag erkennen und wirksam dagegen vorgehen, Campus Verlag

Joines, Vann und Stuart, Ian (2015), Die Transaktionsanalyse, Herder Verlag Freiburg

Roediger, Eckard (2012), Raus aus den Lebensfallen: Das Schematherapie-Patientenbuch, Junfermann Verlag GmbH

Schmale-Riedel, Almut (2016), Der unbewusste Lebensplan: Das Skript in der Transaktionsanalyse. Typische Muster und therapeutische Strategien, Kösel-Verlag München

Stahl, Stefanie (2015), Das Kind in dir muss Heimat finden, Kailash Verlag München