Die Corona-Krise zwingt gerade viele Menschen aus dem Homeoffice zu arbeiten. Für mich und viele andere ist das schon lange Normalität, andere betreten damit Neuland und sammeln gerade ihre ersten Erfahrungen. Auch für Führungskräfte verändert sich der Alltag, wenn das Team nicht mehr in greifbarer Nähe sitzt. Meine ersten Erfahrungen mit Führung im Homeoffice machte ich, als ich vor zwei Jahren ein neues Team übernommen habe. Jetzt ist also ein guter Zeitpunkt, um meine 6 Tipps für virtuelle Führung zu teilen.

Wie aus einer anderen Zeit: Als Dienstreisen noch en vogue waren

Mein neuer Arbeitgeber war schon vor 2 Jahren Vorreiter im Bereich „New Work“ und Arbeiten von Zuhause an 1 – 2 Tagen in der Woche war für einen großen Teil der Belegschaft bereits normal. Mein Team hatte noch eine weitere Besonderheit: Unsere Aufgabe war es, Investitionen und neue Kooperationen mit u.a. jungen Unternehmen anzubahnen – und dafür waren, zumindest aus damaliger Sicht, sehr viele Dienstreisen nötig. So kam es, dass wir oftmals alle an unterschiedlichen Orten verteilt waren, im Homeoffice, bei Kunden oder Kooperationspartnern, im Zug oder am Flughafen. Aus einer Kultur kommend, die viel Wert auf Präsenz legte, war ich erstmal überrascht und unsicher, wie es uns gelingen sollte, dass alle den gleichen Informationsstand haben und wir als Team effektiv zusammenarbeiten können. Aus meiner Sicht waren die folgenden 6 Punkte hierfür entscheidend.

1. Klare Führung im Homeoffice

Führung basiert auf Beziehungen und Beziehungen funktionieren besser, wenn man die gegenseitigen Erwartungen kennt und klar kommuniziert. Für virtuelle Führung ist diese Klarheit noch wichtiger, denn man kann sich eben nicht kurz über den Schreibtisch zurufen, bis wann die Agenda für das Meeting fertig sein muss oder wo die Präsentation für den Kunden liegt. Es gibt auch weniger Möglichkeiten für Rückfragen im Homeoffice, sodass Unklarheiten schneller zu Missverständnissen führen. Spontane Kommunikation ist natürlich auch in der virtuellen Arbeit, über gute Chatprogramme, möglich. Es kostet aber unnötig Zeit und ist vor allem dann sinnvoll, wenn sich Dinge kurzfristig ändern und man sich dazu abstimmen muss. Für alles andere hilft Klarheit: klare Verantwortlichkeiten und Rollen, klare Kommunikation, klare Regeln…und auch klare Ziele.

 2. Ziele und Transparenz, trotz Führung im Homeoffice

Woran arbeite ich heute und womit fange ich an? Viele kennen diese Frage noch aus den Lernphasen der Studienzeit. Mir begegnete diese Frage am Anfang meiner Promotionszeit als ich noch nicht wusste, worüber ich meine Doktorarbeit schreiben soll. Die Situation in der Privatwirtschaft ist natürlich komplett anders. Meist wird man bereits durch seine Termine, egal ob persönlich oder online, durch den Tag getragen. Aber gerade zuhause dauert es vielleicht etwas länger auf Betriebstemperatur zu kommen und Zeitfenster effektiv zu nutzen.

Je konkreter Ziele für die Mitarbeiter definiert werden, desto leichter wird es für jeden einzelnen, diese Ziele eigenverantwortlich im Homeoffice zu erreichen. Als Führungskraft sollte man also die entsprechenden Rahmenbedingungen hierfür schaffen und vor allem im Homeoffice regelmäßig Transparenz zu Zielen und Status der Aufgabenpakete schaffen: Was wollen wir als Team erreichen? Was haben wir uns für diesen Tag oder diese Woche vorgenommen? Kennt jeder seine kurzfristigen Ziele und hat die Unterstützung, die er braucht, um diese zu bearbeiten? Wo stehen die einzelnen Arbeitspakete? Hier können Online Kanban Boards wie beispielsweise Trello für Transparenz sorgen und lassen sich leicht organisieren.

3. Leidenschaft für die Aufgabe und eine motivierende Vision

Bei der Arbeit zuhause fehlen viele Reize und die sozialen Interaktionen, wie das Mittagessen, der gemeinsame Kaffee oder der kurze Austausch über den Schreibtisch hinweg. Diese kurzen Gespräche und Zurufe mit Kollegen machen Spaß und erhöhen damit die Kreativität und Motivation weiter zu arbeiten. Wenn das alles wegfällt und dann auch mal ungeliebte Aufgaben anfallen, ist es enorm hilfreich, wenn man grundsätzlich Spaß an seiner Tätigkeit hat und erkennt wie diese zu den Team- und Unternehmenszielen beiträgt. Der Umzug ins Homeoffice ist daher ein guter Zeitpunkt, um sich als Führungskraft zu fragen: Was motiviert meine Mitarbeiter und was davon verändert sich durch die aktuelle Situation? Wie können meine Mitarbeiter ihre Stärken weiterhin bestmöglich einsetzen? Welche Bedeutung hat die aktuelle Krise für unser Unternehmen und wie können wir als Team zu einer positiven Entwicklung beitragen?

4. Persönliche und regelmäßige Kommunikation

Wenn man ein Team ausschließlich virtuell führt, so wie es jetzt aktuell für viele notwendig ist, fehlen einfache Informationen, die man automatisch im täglichen miteinander im Büro sammelt. Ob beim „Hallo“ sagen über den Gang, beim Mittagessen oder beim Weg zum gemeinsamen Meeting. Ausstrahlung, Haltung und Sprache vermitteln im persönlichen Kontakt zumindest unbewusst wie es dem anderen geht und geben damit die Chance für ein klärendes oder aufmunterndes Gespräch. Bei einzelnen Tagen im Homeoffice lässt sich das leicht über die gemeinsame Zeit im Büro kompensieren. Fällt diese Zeit nun weg, sollte man sich als Führungskraft und Team daher bewusst überlegen, welche regelmäßigen Meetings jetzt sinnvoll und nötig sind und wie man es schaffen möchte auch persönlich „in Kontakt zu bleiben“. Virtual Coffee Breaks sind zum Beispiel eine Möglichkeit, um sich unter Teammitgliedern oder Kollegen informell auszutauschen. Als Führungskraft könnte man sich zum Beispiel immer wieder fragen „weiß ich was meine Mitarbeiter aktuell bewegt?“ und sich in den regelmäßigen Terminen auch bewusst Zeit für persönliche Themen nehmen.

5. 9 to 5 im Homeoffice?!

Zu welchen Zeiten aus dem Homeoffice gearbeitet wird, hängt natürlich von der individuellen Aufgabe ab. Gibt es bspw. Zeiten, zu denen man für Kunden oder Geschäftspartner erreichbar sein muss? Wenn es keine klar definierten Zeiten gibt, kann man sich im Team folgenden Fragen stellen: Zu welchen Uhrzeiten arbeiten wir? Zu welchen Zeiten wollen wir füreinander erreichbar sein? Wann erwartet man eine Rückmeldung? Kann man zwischendurch etwas erledigen und einkaufen gehen oder Sport machen?

Für uns war es immer selbstverständlich, dass jeder seine Arbeitszeit frei einteilt und nach den erforderlichen Aufgaben richtet. Das setzt Vertrauen und die Fähigkeit des einzelnen voraus, die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit zu ziehen. Als Führungskraft sollte man sich hier fragen, ob alle Mitarbeiter in der Lage sind eigenverantwortlich zu arbeiten und wer hierzu weitere Unterstützung durch beispielsweise zusätzliche Regeltermine benötigt.

6. Mittel zum Zweck

Die richtige und funktionierende technische Ausstattung ist natürlich eine Grundvoraussetzung, aber gerade wichtig für Unternehmen, in denen die Arbeit von Zuhause bisher noch nicht so stark gelebt wurde. Es braucht Standardprogramme für Videokonferenzen wie bspw. Zoom oder Skype, Chat-Tools wie bspw. Slack und Tools wie bspw. Trello, um die existierenden Aufgaben und deren Bearbeitungsstatus leicht zu organisieren und transparent zu machen.

Gerade beim Arbeiten zuhause, erst recht wenn es plötzlich 5 Tage in der Woche sind, ist auch die richtige Ausstattung des Arbeitsplatzes enorm wichtig. Mein Arbeitgeber hat z.b. alle Mitarbeiter mit Bildschirmen für Zuhause ausgestattet. Auch wenn viele Unternehmen gar nicht so schnell auf die gegenwärtige Situation reagieren konnten, sollte man als Führungskraft sein Team ermuntern bei der Einrichtung des Arbeitsplatzes auf ergonomische Aspekte zu achten, um Verspannungen und Kopfschmerzen zu vermeiden.

Müssen wir uns jemals wiedersehen?

Aus meiner Sicht funktioniert alles auch online – Mitarbeitergespräche, Präsentationen, Coachings – wenn man die obenstehenden Aspekte berücksichtigt. Zuletzt habe ich sogar erlebt wie Assessment Center erfolgreich online durchgeführt werden.

Ich denke jedoch, dass es einen entscheidenden Unterschied macht, ob man sich bereits persönlich kennt und damit auf einer Vertrauensbasis aufsetzen kann. Vertrauen entsteht leichter, wenn man sich persönlich kennen lernt und erlebt. Je nachdem wie sich die nächsten Monate entwickeln, werde ich mein nächstes Team ebenfalls aus dem Home-Office übernehmen. Dann sitzen wir wieder, wie bei meinem letzten Team, an unterschiedlichen Orten. Auch wenn ich sehr hoffe, dass es anders kommt, bin ich sehr zuversichtlich, dass uns die 6 Regeln helfen werden, als Team zusammen zu finden und erfolgreich und motiviert zu arbeiten. Dazu werde ich zukünftig bestimmt noch weitere Erfahrungen teilen…

 

Was sind deine Erfahrungen mit Führung im Homeoffice?

Der Artikel wurde erstmals unter https://www.linkedin.com/pulse/f%C3%BChrung-aus-dem-home-office-6-dinge-die-jetzt-wichtig-link-hornung/ veröffentlicht.